Unisex, Bisex: Die Tarifkalkulation für Säuglinge

Christoph Huebner auf der BabyWelt in München

Es mag nach einer akademischen Frage klingen, doch die Fachwelt diskutiert leidenschaftlich: Habe ich als Elternteil einen Rechtsanspruch darauf, mein Kind in exakt demselben Tarif zu versichern, in dem ich auch bin?

Ende 2012 wurde branchenweit eine neue Tarifwelt eingeführt. Mit dem gesetzlichen Verbot der geschlechtsabhängigen Risiko-Kalkulation wurde auf sogenannte Unisex-Tarife umgestellt. Vorher waren Jungs ein bisschen günstiger und Mädels ein bisschen teurer – wegen der Risiken, die mit einer Schwangerschaft verbunden sind. Auf die Kindertarife hatte das in den allermeisten Fällen aber auch vorher schon keine Auswirkungen, da diese schon immer geschlechtsneutrale Beiträge hätten (zumindest sind uns keine Ausnahmen von dieser Regel bekannt).

Nun vertreten einige Kollegen die Auffassung, dass der §198 VVG, der den Kontrahierungszwang in der privaten Krankenversicherung für Neugeborene regelt, eine Nachversicherung in exakt dem selben Tarif garantiert. Das hätte z.B. für Jungs später (sehr theoretische) Beitragsvorteile. Die Versicherer wehren sich aber dagegen. So liegt uns beispielsweise von der AXA aktuell folgende Formulierung gegenüber einer Kundin vor:

„Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir für die von Ihnen gewünschte Kindernachversicherung nur noch die seit 21.12.2012 gültigen Unisextarife anbieten.“

Alt- oder neuer Tarif für’s Kind

Die Entwicklung der Alttarife in ihren unterschiedlichen Selbstbehaltsstufen und Alterskohorten bergen gerne Überraschungen, wie sie beispielsweise Profis für die PKV-Tarifumstellung immer wieder feststellen: Da ist ein und derselbe Tarif mit niedrigerem Selbstbehalt für einen Kunden plötzlich nach der Umstellung günstiger im monatlichen Zahlbeitrag – nur, weil sich die Kohorte über die Laufzeit des Vertrages günstiger entwickelt hat, also weniger krank ist als kalkuliert.

Aber für Kinder? Es gibt viele Gründe, warum es nicht von Vorteil ist, es zu erzwingen, dass das Neugeborene in die alten Tarife aufgenommen wird. Und das hat oft weniger mit dem Beitrag zu tun als viel mehr mit den Leistungen. Zumal es ohnehin zweifelhaft ist, ob man einen Rechtsanspruch auf den Alttarif für das Kind tatsächlich begründen und durchsetzen kann.

Denn einerseits handelt es sich bei der klassischen Kindernachversicherung nicht wirklich um einen echten neuen, eigenständigen Vertrag, sondern nur um eine Änderung und Erweiterung des bestehenden Vertrages. Versicherungsnehmer(in) ist die selbe Person, es kommt nur eine weitere versicherte Person hinzu. Man könnte also durchaus davon ausgehen, dass dafür insgesamt gleichartige Bedingungen gelten müssen.

Doch andererseits besagt der bereits zitierte §198 VVG nur, dass der Versicherer das Neugeborene (oder Adoptivkind) seiner Versicherten anzunehmen und zu versichern hat, nicht dass es zu exakt den selben Konditionen geschehen muss. Zitat: „Diese Verpflichtung besteht nur insoweit, als der beantragte Versicherungsschutz des Neugeborenen nicht höher und nicht umfassender als der des versicherten Elternteils ist.“

Ein gleichwertiger oder auch ein geringerwertiger Versicherungsschutz ist also durchaus möglich. Andererseits darf der Versicherer seine Vertragspartner auch nicht plötzlich vertragswidrig gegen deren Willen schlechter stellen, nur weil er keinen vergleichbar guten neuen Tarif hat wie es der Alttarif vielleicht einmal war. In der Praxis ist aber kein Fall bekannt, in dem eine neue Tarifgeneration keine mindestens gleichwertigen Äquivalente zu den Vorgängern böte. Die Diskussion wird also bestenfalls theoretisch und akademisch wenn es um den Fall geht, dass der Nachwuchs in einen geringerwertigen Versicherungsschutz gezwungen wird, weil das Versicherungsunternehmen einfach keinen gleichwertigen Tarif mehr als Nachfolger aufgelegt hat.

Denkbar ist höchstens eine Diskussion darüber, welcher neue Tarif tatsächlich dem Leistungsniveau des Alttarifs entspricht. Eine ernsthafte Auseinandersetzung darüber kennen wir aber aus der Praxis nicht.

Bessere Leistungen im neuen Kindertarif

Grundsätzlich haben die neuen Tarifgenerationen – auch befördert durch den Wettbewerb der PKV-Unternehmen untereinander – immer für den Kunden bessere Konditionen als ihre Vorgänger. Ein großer Schritt in den letzten Jahren war zum Beispiel der Wechsel zum offenen Hilfsmittelkatalog. Vorher hatten Versicherte nur Anspruch auf das, was an Heil- und Hilfsmitteln ausdrücklich vereinbart war. Neue Methoden und Techniken zu übernehmen war oft eine Frage der Kulanz des Versicherers. Es hat schon einen Unterschied gemacht, ob man zur Dialyse täglich ins Krankenhaus musste oder das Dialysegerät nach Hause bekommen hat.
Heute ist der Hilfsmittelkatalog branchenübergreifend offen gestaltet. Und auch im Bereich der psychotherapeutischen Behandlungen hat sich in den letzten Jahren sehr viel getan.

Fazit: Vorteile Vergleichen und entscheiden.

Es lohnt sich, genau hinzuschauen, welche Kindertarife die PKV-Versicherer aktuell anbieten. Es dürfte immer eine bessere Entsprechung zum eigenen Alttarif dabei sein. Welcher Kindertarif in welcher SB-Stufe aber am besten passt, kann man anhand seiner eigenen Bedürfnisse frei entscheiden. Soll der Versicherungsschutz für den Nachwuchs sogar erheblich höher ausfallen als der eigene, wird die Versicherungsgesellschaft die U1- und U2-Berichte sehen wollen und den Tarif nur gewähren, wenn das Kind bei der Geburt gesund ist.